Die Kunst des Rasenmähens
Natürlich gab es aber drängende Fragen, deren Formulierungen zeitlich nicht mit Alfons Feldzügen gegen den Wildwuchs auf den Wiesen zusammenfiel. In diesen Fällen ging ich bei Sonnenaufgang spähen, ob der Bürgermeister in seinem Garten anzutreffen war. Dies erforderte einige Übung, da Alfons sich zum Nahkampf gegen das Unkraut mit einer Camouflagehose tarnte und somit nicht leicht in der furchigen Landschaft seiner Gemüsebeete zu entdecken war. Auch Alfons morgendlicher Sieg über die Begleitvegetation der Kulturbestände schaffte eine gute Voraussetzung für eine angenehme Gesprächsatmosphäre zwischen Bittsteller und Bürgermeister.
Alfons war nämlich nicht immer gute Laune. Quälte ihn die Sorge um sein Dorf, das deutsch-polnische Verhältnis, das Weltgeschehen im Allgemeinen oder die Renitenz der Kunst, galt es die Zeichen seiner umwölkten Stirn rechtzeitig zu deuten und in Deckung zu gehen oder zumindest einen gebührenden Sicherheitsabstand zu wahren. Die Erscheinung von Alfons erinnerte dann in nichts mehr an das Oberhaupt einer kleinen Gemeinde im deutsch-polnischen Grenzland Vorpommerns, sondern ich wähnte mich in mongolischer Hochebene vor das Gericht eines kirgischen Stammesfürsten treten zu müssen.
War man schnell genug, empfahl sich die Flucht, bevor ein verbales Scharmützel in ein rhetorisches Wortgefecht ausartete, aus dem man schwerlich ohne Blessuren hervorging.
Leider gelang es mir nie zu ergründen, woher diese mongolischen Züge und diese Anmutung eines Dschingis Khan herrührten. Der Bürgermeister stammte nämlich aus der Pfalz.
Bei allen strategischen Differenzen: Bürgermeister Alfons Heimer besaß einen versöhnenden Humor und lagerte einen sehr guten Weißwein im Keller. Damit ließ sich jede Situation früher oder später erfolgreich befrieden.
Chapeau!