30.04.2013   Heimsuchung Powered by Emotion

"Ich kann mich gar nicht daran erinnern, dass du jemals einen Gugelhupf gebacken hast", sagte mein Freund

Seine Stimme hörte sich etwas verzerrt an. Der dumpfe Klang war entweder auf eine, durch die Schilderung des Backvorhabens ausgelöste Angstreaktion zurückzuführen oder es handelte sich bei dem akustischen Verfremdungseffekt mal wieder um eine Netzschwankung.

Es ist nämlich so: Die Männer in meinem Leben bekommen grundsätzlich eine Panikattacke, wenn ich ich ihre Küchen betrete.

Misstrauen begleitet schon mein argloses Wühlen in der Besteckschublade nach dem Joghurtlöffel und komplexere Vorgänge wie den Tisch zu decken, verwandelt ihre Blicke in Suchscheinwerfer, die mein Tun unablässig verfolgen. Folgerichtig löst Kaffekochen Alarmstufe III aus. Ergänzend zu sagen ist, dass mein Bruder im Vorfeld eines angekündigten Besuches seiner kleinen Schwester den halben Bestand an Pfannen und japanischen Küchenmesser in Höhen aufhängt, die sich meinem Blickfeld und meiner Reichweite entziehen. Biete ich bei familiären Zusammenkünften meine Hilfsbereitschaft bei der Essenszubereitung an, empfiehlt mir mein Exmann milde lächelnd die Antipasti Theke von Karstadt und mein Sohn behauptet, infolge meiner Kochversuche unter einem frühkindlichen Trauma zu leiden.

Das muss man wissen, um die Handlung zu schätzen, die ich am 30.April zwischen 6.30 und 9 Uhr vollzog: ICH BUK EINEN GUGELHUPF ZUM 89. GEBURTSTAG VON WERA.

Gugelhupf, was soll das sein, hatte mich die Dame während unseres Gespräches vor einigen Tagen gefragt. Das Backwerk hat, zumindest unter diesem Namen, keine Tradition in Vorpommern.

Mein Vorhaben unterlag einer sorgfältigen strategischen Planung. Die Stunden nach dem Polnischunterricht in Stettin nutzte ich zur Vorbereitung, schlenderte unter dem Vorwand ein Brot kaufen zu wollen in eine Cukiernia, um mir nochmals ein genaues Bild von so einem Kuchen zu machen. Im Supermarkt deckte ich mich mit großen Mengen an Backpulver (proszek do pieczenia), Vanillezucker (cukier waniliowy), Mehl (mąka) und Butter (masło) ein. Alles Gute, wünschte mir meine Nachbarin Anke, als sie mir eine Packung frisch gelegter Eier in die Hand drückte.

Die abendliche Müdigkeit stufte ich als unwägbares Risiko für eine erfolgreiche Umsetzung des Vorhabens ein. Der Wecker klingelte um 6 Uhr, den Weckruf des Hahns um 7.13 konnte ich am heutigen Tag nicht abwarten.

Ich ging die Sache skulptural an. Der Vorgang Gips anzurühren, schien mir durchaus mit dem Vermengen von Mehl, Backpulver und Eiern vergleichbar. Auch eine Verwechslung des Akkuschraubers mit dem Mixer vermied ich erfolgreich. Um 7 Uhr morgens wirkte ich Euphorie erfüllt in meiner sonnengefluteten Küche. Alles lief nach Plan. Dazu spielte bei Radio Maryia die Frühmesse auf Polnisch: Der Herr stehe mir bei - Panie, pomóż mi!

Ein Stück Schweißdraht ersetzte die Stricknadel zur Überprüfung des Feuchtigkeitsgrades/ Backfortschrittes meines Werkes.

Um 9.04 Uhr war der Prozess beendet – Mein Gugelhupf, ein stiller Triumph über den Zweifel der Männer in meinem Leben an meinen häuslichen Tugenden.

Um 10.40 Uhr traf ich Anke an der Hausecke. Um 10.45 Uhr prangte der Gugelhupf auf dem Kaffeetisch von Frau Jatho. Wir tranken Bier und Kaffee.

Voller Übermut beschloss ich, jedem der Männer in meinem Leben zum 89. Geburtstag einen Gugelhupf zu backen.

Ein gelungener, befriedigender Vormittag, der unter den Keybordklängen der Jubilarin ausklang.

Nachtrag: Bedauerlicherweise hatte ich am folgenden Morgen bei dem Versuch mir ein Frühstücksei zu kochen, die falsche Herdplatte aktiviert. Dabei verbrannte leider meine Spahghettizange.

Seither ist die Welt also wieder in Ordnung und ich freue mich wirklich sehr über jeden Mann in meinem Leben, der für mich kocht.