14.09.2013   Holzbrigade

Schnittchen und Kripo

"Kommen denn auch Parteien hierher?", wollte ich im Hinblick auf den Bundestagswahlkampf wissen.

Die geringe Anzahl möglicher zu gewinnender Stimmen, schien den Parteien eine Wahlkampfveranstaltung in den Dörfern nicht wert zu sein. Seltsam eigentlich, wo doch immer soviel bürgerliches Engagement gegen Rechts gefordert wurde. Bei der Bundestagswahl 2009 waren in Blankensee von gesamt 830 Stimmen 57 Erst- und 46 Zweitstimmen für die NPD abgegeben worden, knapp 7%.
Es war der Stichtag, mit dem das Plakatieren von Wahlwerbung im öffentlichen Raum zugelassen wurde. Ich war wohl eher zufälligerweise gerade am KunstKiosk, als ein roter Kombi vorfuhr und ein junger Mann in routinierter Weise innerhalb weniger Minuten ein NPD-Wahlplakat an der Straßenlaterne unmittelbar vor dem KuKi befestigte. Mit nicht weniger Geschick entfernten wir das Plakat wieder. Der Vorgang blieb nicht unbeobachtet. Es kam zu einer hässlichen Auseinandersetzung zwischen den Plakatierenden und uns. Der Polizeibus, der wenig später neben dem KuKi parkte, war längst nicht so schmuck wie unser Bauwagen. Bei der Zeugenvernehmung konnte ich mühsam vermeiden, den Namen desjenigen nennen zu müssen, der aus dem KuKi-Team auf die Leiter gestiegen war und die Kabelbinder, die das Plakat an der Laterne hielten, durchgeschnitten hatte. Der Vorfall war beunruhigend gewesen, hatte ungute, bedrohliche Gefühle hinterlassen.
Die Nacht blieb ruhig, nichts weiter war passiert, wir bauten an der Miete weiter. Zur Kaffeestunde erschien uns Barbara am Pampseeer Horizont. Mit ausgewogenem Gleichgewichtssinn balancierte sie an allen Schlaglöchern vorbei ein Tablett köstlicher Schnittchen auf dem Gepäckträger ihres Fahrrades. Unsere Feierabendromantik wurde durch das Vorfahren eines weißen Autos, welches verblüffender Weise erst unmittelbar vor unseren Füßen hielt, empfindlich gestört. Der dörfliche Tatort nahm seinen Lauf. Die beiden Kommissare der Kripo Anklam zückten ihre Ausweise. Meine Fluchtgefahr stuften sie offensichtlich als gering ein. Ich durfte in meinem eigenen Auto zur Vernehmung in meiner Wohnung fahren. Nur den Sicherheitsabstand von Stoßstange zu Stoßstange hielten sie nicht ein. Die Kommissare mit den identischen Nachnamen waren sehr nett und zu meinem Erstaunen trug, zumindest der eine, deutlich riechbar Parfum. Meine Aussage wurde auf Band aufgezeichnet, dann unterhielten wir uns über Kunst. Ich fand die beiden Herren sehr sympathisch und lud sie zur Abschlussveranstaltung ein.

Der eine der beiden Kommissar M. suchte mich zwei Tage später nochmals auf, um die noch fehlende Unterschrift unter meiner Zeugenaussage einzuholen. Er schenkte mir ein Fan-Halstuch seines Fußballvereins.Ich drapierte es zu den Devotionalien in meine Flur. Kam ich nachhause verströmte das Riechtüchlein den Duft des Parfums von Kommissar M. Ich fühlte mich sicher.